Pornfilmfestival 2015 – die Highlights!

„Und, wie geht´s dir so?“ – „Äh…äh…Pornfilmfestival!“

Das war letzte Woche die differenzierteste Antwort, die ich im Schnitt so von mir geben konnte. Denn das Pornfilmfestival Berlin ist ein Ausnahmezustand, den ich gar nicht so richtig in Worte fassen kann. Man muss diesen ultimativen Mindfuck wahrscheinlich irgendwie selbst erlebt haben, und das wollen immer mehr Leute – zum zehnten Geburtstag quetschen sich rund 7500 aufgeregte Festivalbesucher ins muckelige kleine Moviemento.

In allerbester Berliner „früher war alles besser“-Manier könnte man jetzt meckern, dass früher alles besser war, intimer und so, man sich nämlich nicht mit ganz so vielen anderen Pornofreunden angeschwitzt hat beim Filmeschauen, und ich selbst tatsächlich kaum noch in „meine“ eigene Premiere – den Eröffnungsfilm Schnick Schnack Schnuck, präsentiert von Lvstprinzip – gekommen wäre. Aber hey – 7500 Menschen, die öffentlich Lust auf gute Pornos haben, wie gut ist das denn bitte? Das Pornfilmfestival ist nämlich nicht nur ein Zustand und ein Gefühl – Pornfilmfestival ist immer auch ein Bekenntnis. „Ich meine, überleg mal – wir sind alle jetzt nur hier, weil wir uns für Sex interessieren!“ meint ein Mädchen auf der Aftershowparty im Ficken3000. Und möchte wissen, ob ich meinen Blog eigentlich „ehrenamtlich“ betreibe. Für beide Formulierungen möchte ich sie küssen – denn ja, ich fühle mich tatsächlich sehr oft sehr geehrt. Dass Leute mich an ihren intimsten Phantasien und traurigsten Momenten teilhaben lassen. Und ich die Welt mit guten Sextoys und Pornos ein Stück weit mit verbessern kann.

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Speaking of which – du fragst dich ja bestimmt schon, wo eigentlich deine Masturbationsempfehlungen bleiben! Wie unhöflich von mir…

Los ging´s wie gesagt mit dem Eröffnungsfilm Schnick Schnack Schnuck. Nachdem ich ja beim Crowdfunding eifrig mitgeholfen habe, die Rohfassung kenne und mit der halben Crew dicke bin, kann ich hier gar kein objektives Urteil abgeben. Außerdem hat Enno das ganze bei Erosa schon sehr schön ausführlich zusammengefasst. Ach fuck it, ich erlaube mir doch ein kurzes Resümee: das ist der hipste Porno ever-ever. Instagrambunt, feministisch, wunderschön. Jeder Mensch auf der Welt sollte ihn ansehen. Und macht doch bitte noch eine extended Sexszenen Homeversion!

Immer eine gute Gelegenheit am Porn Film Festival, die Blutzirkulation wieder richtung Gehirn zu verlagern: die Dokus!  Filthy Gorgeous – The Bob Guccione Story über den Gründer des Tittenhefts Penthouse ließ sowohl mein Pornographen- als auch mein Journalistenherz höher schlagen. Spannend spannend spannend.

Anschließend gab´s für mich ein Panel, das ich in den letzten Jahren nicht mit der Kneifzange angefasst hätte: Experimental Porn. „Experimentell“ ist halt meist ein klarer Fall von „kann man gut finden, muss man aber nicht“ aber es kann ja auch letztlich irgendwie alles bedeuten. Ceci n´est pas un wackeliger Trashporno. Oder wie Herr Störung von Schnick Schnack Schnuck es formulierte: „Von jeder Filmkritik kann man grundsätzlich noch mal mindestens 30% abziehen, dann hat man den Theresa-Anteil.“ Sorrynotsorry, einmal Filmkritiker, immer Filmkritiker! Aber hier erzähle ich natürlich nur von den allerschönsten Filmen.

Und hey, die Premiere von David Blooms Sonata stand an, und die konnte ich natürlich auf keinen Fall verpassen. Mitgecrowdfundet, mitgehangen, wie man so schön sagt, nichtwahr! Wunderschön, berührend, edgy, anders. Sehr viele „was wäre wenn´s“ und auch hier wünsche ich mir eine extended Version. Sehen Sie selbst, meine Damen und Herren!

Danach gab´s Drone Boning – was übrigens genauso gut ist, wie es sich anhört – hier der ganze Drohnenporno Kurzfilm, so semi safe for work, würde ich mal sagen.

Im Anschluss saß ich im Panel Femancy Porn. Femancy wer bitte was? Kein Plan, bis heute nicht – auch meine Freundin Maria vom Toytool Committee war ratlos, obwohl ihr Kurzfilm „The Rose Garden“ darin vertreten war. Er spielt mit Marias neu entdeckter Liebe zu Twin Peaks. Fuck yeah, kratziger-Zopfpullover-Porno! David Lynch wäre sicherlich hocherfreut.

Und dann: Liebeliebe, große Liebe – oder auch: was zwei verliebte queere Pornodarsteller so alles nach Drehschluss miteinander veranstalten. Extrem kinky, sehr queer, authentisch und irgendwie auch wirklich so richtig romantisch – Häschtäg #relationshipgoals! Eingefangen von der großartigen Shine Louise Houston, von der ich vor allem die Crash Pad Series Lesbenpornos kenne. Ihre Streamingseite Pink Label kann ich dir nur ans Herz legen, in einem Interview neulich habe ich sie glaube ich als „Demeter des Onlinepornos“ oder so bezeichnet, chrr chrr. Alles sehr sehr fairtrade bio organic queer und menschenfreundlich. Dort findest du auch den wunder-wunder-wunderbaren Bed Party. Kleiner Disclaimer allerdings, die dargestellten Praktiken gehen ein bisschen über das übliche Porno-Reinraus hinaus…

Hach! Auch Peeping Tom in Berlin von Lucie Blush (eine ausführliche Besprechung ihrer Arbeit gibt´s hier!) fand ich sehr herzerwärmend – und, wie ich gerade beim Googlen feststelle, hat auch sie mit ihrem Partner gedreht. Gute Chemie lässt sich eben einfach nicht herbeistöhnen.

Apropros Liebe: von Mickey Mods „The Game“ habe ich leider kein Bildmaterial gefunden, aber das ganze ist auch noch work in progress – aus dem 17minütige Kurzfilm um ein gelangweiltes Ehepaar, das sich mit einem vollgeschriebenen Set Pokerkarten lustige kleine Sexaufgaben stellt und nebenbei seinen Status Quo mal eben neu durchverhandelt, soll bald ein Spielfilm werden. So good on so many levels, ich freu mich drauf!

Außerdem noch schön: Hand Jobs von Ms Naughty, der unsere Hände als Sexualorgane thematisiert.

Am Freitag hat mich Yes, we fuck sehr berührt – auch wen ich die Kritik drüben beim Vice nicht ganz unbegründet finde.

Den autobiographisch-dokumentarischen Fucking in Love mochte ich irgendwie sehr: Justine Pluvinage löst sich aus Langzeitbeziehung, fliegt nach New York und dokumentiert ihr Rumgevögel in wackelig-authentischen Bildern. „Schon schön, zwischendurch auch mal das davor und danach zu sehen und nicht immer nur den Sex“ findet eine Zuschauerin und ich finde das auch.

Super am Samstag: Mein Tag mit Tarna, eine angenehm unaufgeregte Doku über eine Berliner Domina. Keine Sorge, ist bildlich längst nicht so extrem wie der Teaser verspricht. Gibbet übrigens auch zum ganz sehen auf Vimeo!

Mein Sieger der Herzen bei Lesbian Porn: Sock Puppet, der niedlichste Song über Fisting aller Zeiten. Achtungachtung, Mega Ohrwurm!

Sonntag gab´s das wunderbare Spezialprogamm „Das Auge fickt mit – what the Projectionist saw“ vom Moviemento-Team. Und mit „wunderbar“ meine ich „what the fuck!“ Pornfilmfestival heißt ja auch immer irgendwann „Häh? Echt jetzt? Ih! Ih was hat der da! Hui!“ und da waren definitiv Bilder dabei, die man nicht ungesehen machen kann. Für euch also an dieser Stelle aus Schonungsgründen nur einen weiteren schönen Ohrwurm aus dem Programm.

Große Liebe im Anschluss für 43Characters und ihre Deconstructing Silent Porn – Performance. Wenn du Gelegenheit hast, die Herrschaften live zu erleben, go for it! Wollt ihr nicht auf meiner nächsten Lvstnacht performen, Jungs?

Das Beste kommt zum Schluss – in diesem Fall in Form meines Sitznachbarn bei Le Baiser von Ovidie. Den Film habe ich mir primär wegen meines Girlcrushs on Madison Young angesehen, um dann festzustellen, dass Tiffany Doll mitspielt, die ich vom Xconfessions Dreh in Barcelona neulich kannte. Lustige kleine Pornowelt!

Anyways, der Film ist ganz gut, du kannst ihn dir über Lustcinema streamen wenn du willst – mein Highlight war aber wie gesagt mein Sitznachbar, kein geringerer als Willem van Batenburg! Der Typ ist quasi der Godfather of sexpositive adult cinema und ich liebe-liebe seine zwei Filme N´schot in de roos und Pruimenbloesem aus den frühen 80ern.

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Entspanntes Rumgevögel mit dutch Charme und viel „Lecker, lecker!“- Dirty Talk. Wenn du sie mal irgendwo ausgräbst, unbedingt ansehen! Leider hat er das Ponobusiness mit dem Aufkommen von AIDS hinter sich gelassen und schreibt seitdem Erotika – und ist somit ein exzellenter Sitznachbar, wenns an das Auseinanderdröseln von Handlungssträngen geht. Nach dem Film musste er leider gleich los – aber soeben flattert eine ausführliche Email von ihm in mein Postfach. „First of all I wish to congratulate you with your website, it has kind of anarchy, energy and sparkle I like.“ Ooooooh. Bitte entschuldigen Sie mich kurz, während ich mal eben vor mich hin hyperventiliere. Wenn das mal nicht der absolute Porno-Ritterschlag ist – mein persönliches Happy Ending vom Pornfilmfestival 2015!

Nachdem ich ja leider nur zwei Augen und einen Arsch pro Kinosessel besitze, konnte ich wie immer nicht alles sehen – zum Glück war mein Homie Walter Crasshole vom Exberliner auch noch fleißig und hat mitgebloggt: voila, Easing in, Berlin is porn und Refractory Period, lesense doch mal rein!

 

Was waren deine Highlights vom Pornfilmfestival 2015? Ab in die Kommentare damit! Für alle Nordlichter, die jetzt traurig sind, dass sie nicht dabei sein konnten: in Kiel läuft noch bis Sonntag das Fetisch Film Festival. Bis auf 50 Shades (wtf?) sind ein paar spannende Filme dabei!

 

Bildcredits: Pornfilmfestival Berlin

Theresa Lachner ist Journalistin, Systemische Sexualberaterin und die Gründerin von LVSTPRINZIP.

3 Kommentare

  • Antworten Oktober 29, 2015

    Herr Störung

    Alles klar Theresa, hier kommen meine drei Festival-Highlights (+ eine Gurke).

    Ich hatte erst gezögert, mir eine Karte für „Leaving Africa“ zu kaufen. Aus Angst, dass dieser Film über den Kampf zweier Frauen gegen Homophobie, Aberglaube und Sexismus in Uganda der Downer des Festivals wird. Mit tragischen Einzelschicksalen kann ich nicht so gut umgehen, die versauen mir manchmal die ganze Woche. Aber ich mag Dokus und ich mag Afrika (und ich musste das Ticket nicht bezahlen), also rein halt. Als ich dann schon nach wenigen Minuten Tränen in den Augen hatte war das allerdings weder aus Wut noch aus Verzweifelung. Entschuldigt das Rosamunde-Pilcher-Vokabular, aber einen so bittersüßen Film über Liebe, Hoffnung und Alt-werden hatte ich bisher noch nicht. Die beiden Protagonistinnen sind so beeindruckende Menschen, da werd ich ganz demütig. Ich muss „Leaving Africa“ unbedingt nochmal zuhause anschauen, komplett durchheulen und dann nach Uganda ziehen.

    „Die Räuberinnen“ würde ich auch sofort nochmal kucken! Ich zitiere hier mal die Programmbeschreibung: anarchisch. Mjap, das beschreibt den Film ziemlich treffend. Ein Dauergrinsen aus Trash, Sex, Gewalt, Politik und Plastikblumen. Mit sprechenden abgeschlagenen Köpfen, schönen Frauen mit fauligen Zähnen, brennenden Kutschen, brennenden Autos, einem blinden Deutschpop-Schönling mit Ukulele, einem abgeschnittenen Penis mit Eiern, dicken französischen Nutten auf Heroin, mittelmäßigen Greenscreen-Skills, jeder Menge Plastikpistolen und „seiner Exzellenz“, dem ekligsten Geistlichen aller Zeiten. In der Schweiz. In einer Burg im Wald. Im Mittelalter.

    Enttäuscht hat mich die angebliche Dokumentation „Die Menschenliebe“. Das war mir zu inszeniert für Doku, zu dokumentarisch für einen Spielfilm und am Ende irgendwie auch zu prätentiös und bedeutungsschwanger. Leider war auch trotz Ankündigung niemand vom Filmteam da, um Rede und Antwort zu stehen. Sven, der Protagonist aus der zweiten Hälfte des Film scheint aber ein super Typ zu sein. Mit dem würd ich gerne mal ein Kölsch trinken gehen.

    In „Je suis à toi“ holt ein dicker einsamer belgischer Bäcker einen argentinischen Webcam-Stricher mit dem Flugzeug zu sich nach Hause, damit er bei ihm lebt, liebt und arbeitet. Hätte man sich auch denken können: Das geht nicht gut. Ist aber durch sehr vielschichtige, glaubwürdige Charaktere und extrem gutes Schauspiel weder platt noch vorhersehbar oder doof. Und am Ende auch nicht so traurig wie es sich anhört. Wobei, eigentlich schon… Und so saß ich dann zum zweiten Mal weinend im Kino, auf dem PornFilmFestival Berlin. Na toll, dankeschön! Bis nächstes Jahr!

    • Antworten Oktober 29, 2015

      Theresa

      Herzlichen Dank, liebster Herr Störung! Bei Yes, we fuck musste ich auch ein bisschen weinen am Anfang, und Ich weine sonst eigentlich nur auf Langstreckenflügen beim Filmeschauen. Vielleicht ist das eine neue Form von Triebabfuhr, die wir noch nicht kannten – weinen im Pornokino? Leaving Africa kommt jedenfalls auf die im-stillen-Kämmerlein-streamen-und-heimlich-weinen-To-do-Liste! Euer nächstes Projekt sollte zumindest eine sehr traurige Szene enthalten, findet dann nämlich auch Julia gut!

  • […] meet Lucie. Lucie Makes Porn. Die 28jährige Französin und ihr Oevre liefen mir am letzten Pornfilmfestival das erste Mal über den Weg, und seitdem hat sie ausnahmslos wirklich auch ALLES richtig […]

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