Handicap und BDSM – ein Text von Sexabled

Auch Menschen mit Handicap haben ein Sexualleben. Wir haben unser Verlangen, unser versautes Kopfkino, und wir haben Lust auf Sex – genau wie ein Mensch ohne Einschränkung. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, euch einen intimen Einblick in mein Sexualleben zu geben, und auf Sexabled.de darüber zu bloggen. Weil behindert zu sein nicht bedeutet, unfähig zu sein – sondern unterschiedlich fähig.

Mein Name ist Christian, ich gehe mittlerweile mit großen Schritten auf die Dreißig zu, ich bin pansexuell und polyamor, meine große Vorliebe gilt dem BDSM, ich bin ein Switch und ich habe ein Handicap. In diesem Beitrag möchte ich euch auf eine kleine Reise mitnehmen, es ist eine Reise durch mein erstes und zugegebenermaßen noch recht sanftes BDSM Abenteuer.

Am Anfang stand… ein vanilla Datingprofil.

Das Ganze ist nun schon einige Jahre her, trotzdem werde ich den Anfang dieser Geschichte wohl nie vergessen. Ich hatte gerade eine neue Dating Seite für mich entdeckt und suchte eigentlich nur eine “Freundschaft Plus”. Ich hatte keine speziellen Neigungen, zumindest dachte ich das damals und dementsprechend war mein Profil im Vergleich zu den heutigen Varianten reichlich kurz und unspektakulär.

Nach ein paar Tagen auf dieser Website bekam ich eine Mail von einem männlichen User der deutlich älter als ich war. Da für mich das Alter einer Person noch nie ein Faktor war begann ich die Mail zu lesen. Er schrieb mir das er mich sehr interessant finden würde, er erwähnte aber auch direkt das er sich ausschließlich für BDSM mit mir als Sub interessieren würde und dass er mir das gerne näher bringen würde wenn ich noch keine derartigen Erfahrungen gemacht haben sollte.

Ich ließ die Mail erstmal unbeantwortet, es kreisten viele Gedanken durch meinen Kopf aber am Ende siegte meine Neugier. Wir verabredeten uns auf eine Tasse Kaffee.

Über ein Café in ein Stundenhotel.

Als wir uns dann trafen war bei uns beiden eine gewisse Nervosität nicht von der Hand zu weisen. Wir bestellten unseren Kaffee und wussten beide nicht so recht wie wir ein Gespräch anfangen sollten. Schließlich sagte ich ihm das ich keine Erfahrung auf diesem Gebiet hatte und mich auch noch nie wirklich damit beschäftigt hatte, woraufhin er mir sagte das dies wie erwähnt kein Problem für ihn wäre, schließlich hätte er auch keine Erfahrung mit körperlich beeinträchtigten Menschen und wir beide könnten hier nur etwas lernen und nichts verlieren.

Damit war das Eis gebrochen. Ich fand diesen Mann spannend und meine Nervosität wich wieder meiner Neugier. Wir redeten ein paar Stunden, am Ende gingen wir mit der Abmachung auseinander die gesammelten Eindrücke zu verarbeiten um uns darüber klar zu werden ob wir dieses Experiment wagen möchten und uns spätestens in zwei Tagen zu schreiben.

Für mich war die Sache schon klar und er musste ähnlich gedacht haben denn ein paar Stunden später hatte ich meine erhoffte Antwort und wir buchten ein Zimmer in meinem liebsten Stundenhotel.

Ein erstes Mal mit ein paar Hindernissen.

Wir trafen uns wie abgemacht vor dem Hotel, gingen gemeinsam hinein, teilten uns den Preis des Zimmers und betraten schließlich unser Zimmer. Wir hatten ein wenig Smalltalk während er in seinem Gitarrenkoffer wühlte, schließlich sagte er “Ich würde dich jetzt gerne ans Bett fesseln, ich weiß nur noch nicht so ganz wie ich dich dorthin bekommen soll. Irgendwelche Ideen?”

Natürlich war das kein Problem, ich war ja nicht zum ersten Mal in dieser Situation. Ich erklärte ihm die richtige Technik um mich zu heben, ebenso die richtige Methode um mich Schritt für Schritt aus meinen Klamotten zu befreien oder um mich richtig auf dem Bett zu positionieren. Es gab durchaus einige Fehlversuche aber nach diesen Anläufen mit viel Gelächter, lag ich dann auch endlich so wie er es haben wollte. Viel wichtiger war allerdings, das er mit jedem Handgriff mehr und mehr verstand das ich nicht so zerbrechlich bin wie ich aussehe und ich verstand immer mehr das ich ihm vertrauen konnte.

Wir spielten ruhig und soft, bauten Vertrauen auf und wir erkannten die Grenzen die mein Körper uns setzte.

Versteht das jetzt nicht falsch, vieles von dem was gesunde Menschen in ihrem Spiel tun ist mir und vielen anderen Behinderten ebenfalls möglich. Manchmal braucht es einfach ein wenig Kreativität um etwas umzusetzen und es kann auch durchaus vorkommen das die Tagesform gewisse Dinge verhindert und manche Dinge funktionieren zwar grundsätzlich, allerdings sehen sie vielleicht etwas anders aus als gewöhnlich.

Als Beispiel nehme ich mal mich und das Thema Spanking. In meinem Fall stellt sich folgende Frage: Wie kommt man eigentlich an die gewünschte Stelle? Bei mir ist es in der Regel mein Rücken, sitze ich in meinem Rollstuhl blockiert meine Rückenlehne den Weg dorthin, die einfachste Lösung wäre die Bauchlage, allerdings klappt das in meinem Fall auch nicht. Jetzt könnte man Spanking natürlich streichen und meistens tun wir das auch, allerdings mag ich es zu gerne um komplett darauf zu verzichten. Die Lösung war es die Rückenlehne möglichst weit nach hinten zu stellen und gleichzeitig die Sitzkantelung so einzustellen das ich mich gut aufrecht halten kann und ein starker Schlag mich nicht aus dem Stuhl befördert. Wir mussten das allerdings erst im Laufe der Zeit lernen und vor allem ich selbst musste diese Grenzen erst mal akzeptieren.

Am Ende dieser Session waren wir beide sehr zufrieden. Ich hatte soeben Lunte gerochen und wollte mehr, mehr von ihm und noch viel mehr von dieser Welt die sich gerade vor mir aufgetan hatte. Für ihn war es eine lehrreiche Situation und auch er wollte mehr, mehr darüber erfahren wo meine Grenzen liegen, sowohl die Grenzen meines Körpers als auch meine ganz persönlichen Grenzen.

Ein Sprung in die Gegenwart

Einige Jahre später hat sich BDSM in meinem Leben absolut etabliert. Ich konnte Erfahrung als Dom sammeln und lernte, dass ich kein Sadist bin. Als Zeichen meiner Verbundenheit zu dieser Vorliebe habe ich mich vor ca. zwei Jahren zu einem Tattoo entschieden und seitdem trage ich die BDSM-Triskele auf der linken Seite meines Halses.

Die Zeit mit diesem Mann hat mich viel gelehrt, allerdings hat es auch ihm einen neuen Blickwinkel auf viele Dinge eröffnet. Unsere Wege trennten sich nach einiger Zeit und ich gehe meinen weiteren Weg mit anderen großartigen Menschen und ich hoffe, dass ihm das ebenfalls vergönnt ist.

 

Titelfoto: Aaron Tsuru (c) Tsurufoto.com

Text und Fotos: Christian (c) sexabled.de

Theresa

Theresa Lachner ist Journalistin, Systemische Sexualberaterin und die Gründerin von LVSTPRINZIP.

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