Ich atme dich, du atmest mich – ein Text von Jenz

Jenz? Ja Mann, Jenz! Die wunderbare Jenz aus Schnick Schnack Schnuck und Häppchenweise lässt auch in ihrer Freizeit keine Fortbildungsmöglichkeit aus und nimmt uns heute ein Stück mit auf ihrer Reise zu sich selbst – und zu ihrem Atem!

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‘You take my breath away‘, ‘Atemlos durch die Nacht‘, ‘Nun kannst du endlich wieder atmen‘…. oder: wie ich lernte, dass mein Atem intimer ist als meine Muschi!
Ich nehme euch mit auf eine atemberaubende Reise von Achtsamkeit für den eigenen Rhythmus über sich mit Atemkontrolle im BDSM die Luft rauben bis sich gegenseitig einatmen beim Sex, zu einem perfekt energetischen Kreis.

Intimer als der Intimbereich?
Na, jetzt übertreibt sie aber ein bisschen, denkt ihr euch wahrscheinlich.
Ich bin seit Jahren eine Forscherin in Sachen Sex, Lust und Erfüllung.
Polyamorie – Check, Fetischparty – Check, Sex on Drugs – Check, Einer-Zweier-Dreier..auch mal vom Fünfer Springen – Check, Pornodreh – Check.
„Was soll da noch kommen?“ , dachte ich mir, als ich mit Neugierde und dem guten Gefühl, etwas Neues zu entdecken letzten Sommer auf die Xplore Berlin fuhr. Ein Workshopwochenende in Sachen Sex – in Theorie und Praxis. Viel Praxis.

Auf höher, schneller, weiter hatte ich zu dem Zeitpunkt keine Lust mehr.

Ich wollte fühlen und ganz bei mir sein.
Einer meiner ersten Anlaufpunkte war ein Bewegungsworkshop zum Thema Atem.
Neben all den BDSM Angeboten und anderen reizvollen Schlüpfrigkeiten zog es mich zum Einstieg erst mal dort hin.
Uns wurde erklärt, das unser Atem stark mit unseren Gefühlen und dem Körperempfinden verbunden ist. Dass wir meist zu hastig durchs Leben hetzen und unser Atem da halt mit muss. Ob er will oder nicht. Wir gingen es anders herum an. Wir sollten unseren Atem beobachten und danach anfangen uns in einer Choreographie dazu zu bewegen.
Ein Raum voller Menschen, die den selben Tanz tanzen, aber in verschiedenen Geschwindigkeiten. Jede_r in ihrem eigenen Rhythmus. Man stelle sich das mal im Club vor!
Wir machten auch Partnerübungen, wo wir unseren gemeinsamen Rhythmus fanden, auf den eigenen Atem und den des anderen achtend.

Atmen passiert meist unbewusst, ungeachtet. Dabei ist es so powerful und etwas, was uns so sehr aus macht und immer bei uns ist. Sasha Krohn, der den Workshop leitete sagte uns: „Der Atem begleitet uns das ganze Leben. Es ist das Allererste und das Allerletzte, was wir auf dieser Welt tun. Da hat er doch etwas Beachtung verdient.“

Ja gut, Atmen, das mach ich beim Yoga auch, aber…
Diese Übung ist natürlich auch auf den Sex zu übertragen. Da ist Rhythmus und Atmung auch irre wichtig. Und wenn ich das Tempo meinem Atem anpasse und nicht umgekehrt empfinde ich eine sehr erfüllende Lust, bis hin zu einem sich langsam aufbauenden Orgasmus.
Ja, wenn ich den Atem bei meinem Spielgefährten beobachte kann ich ablesen wie heiß er gerade ist, wo ich welche Knöpfe drücken muss. Ach, schön!

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Aber nicht nur der Atem meines Partners erzählt mir viel. Ich lese jetzt auch meinen eigenen. Er erzählt mir zum Beispiel, wenn ich zu nervös werde und mal etwas langsamer brauche.
Ich nehme wahr, wann mein Körper Geräusche der Entzückung macht und wann ich performe. Nicht jedes Stöhnen ist sexy. Manchmal ist es auch lächerlich. Aber dann lacht man hinterher gemeinsam darüber. Wenn ich richtig fühle und nicht nur das sexy Porno-Stöhnen performe, ist es eher ein hecheln in hohen Frequenzen. Klingt merkwürdig. Aber genau dahin muss es gehen. Mehr echt sein, weg von der Performance im Bett! Na und? Dann ist es halt merkwürdig, aber geil gewesen!

You take my breath away

Schon in meinen vorangegangenen Beziehungen, wo unser Spiel mehr in die BDSM Richtung ging und sich gegenseitig gröber angefasst wurde, lernte ich es zu schätzen mit dem Atem zu spielen.
Sich von einer anderen Person die Luft weg drücken zu lassen, erfordert viel Vertrauen. Vertrauen darin, dass der andere auf mich aufpasst, mich sieht, mir wieder Luft gibt, wenn ich sie brauche. Es ist auch ein wahnsinnig inniges Gefühl der Geborgenheit sich komplett in die Hände des anderen zu legen, alle Kontrolle abgeben.
Intensiver, weil ich meine volle Aufmerksamkeit auf meine Muschi konzentrieren kann. Wenn ich angefasst oder penetriert werde, spüre ich das intensiver. Weil ich meiner Mau, meinem Gefühl jetzt meine ungeteilte Aufmerksamkeit geben kann. Ohne die hechelnde Ablenkung.
Intimer, weil ich diese Spielchen nicht mit jedem mache. Da muss ich mein Herz schon öffnen.

Ich lass einen One-Night-Stand vielleicht in meine Muschi aber nicht an meinen Atem.
Achtsamer, weil man sehr feinfühlig gucken muss, was bei dem/der anderen gerade los ist. Mit voller Aufmerksamkeit bei dir, Baby!

Man kann auf verschiedenste Art die Luft abschneiden. Mit der Hand auf Mund und Nase, den Hals zu drücken (Dabei nicht auf den Kehlkopf), ein Tuch oder Knebel in den Mund und die Nase immer mal wieder zu kneifen oder einen synthetischen oder anders schwer Luft durchlässigen Stoff übers Gesicht spannen. Das ist spannend und sieht für den Agierenden sehr reizvoll aus.
Nicht zu vergessen die Intensität, wenn man wieder frei gelassen wird und der Körper gierig in einem Sog die Luft ein saugt…hhaaaauhhh!

Warning: Liebe Leser_innen, machen Sie es zu Hause ruhig nach, aber bedenken sie immer vorsichtig zu sein. Zu lange auf den Atem zu verzichten kann tödlich sein.

Wenn man auf Wikipedia Atemkontrolle oder auch Erotic Asphyxiation eingibt, bekommt man eine lange Liste von Gefahren dargeboten. Das Recherchieren überlass ich euch, hier will ich die positive Seite daran beleuchten.
Wenn es um‘s Spanking geht, müsst ihr ja auch zusehen, euer eigenes Maß zu finden, damit man nicht mehrere Tage danach auf‘s sitzen verzichten muss.

Die Luft gehört denen die sie atmen

Nach langem Forschen, Spielen und Rantasten mit der Luftzufuhr fragte er mich: „Wollen wir zusammen atmen?“ Ich sagte ja. Wusste aber eigentlich gar nicht was er meinte. Er presste seinen Mund auf meinen und atmete in mich aus. Meine Lungen füllten sich mit seiner Luft. Das ging wie von allein, ohne Anstrengung meinerseits. Ich schob ihm die Geste zurück. Dann kam mein Kopf und quatschte dazwischen: „Wie sieht das denn aus?..so mit offenen Mündern aufeinander, sich nicht bewegend, voll der Eso-Quatsch…Energie hin und her schieben, irgendwie eklig, die verbrauchte Luft eines Anderen nehmen…“, und ich drückte mich von ihm weg. Ich war ein wenig erschrocken, über das Neue, was ich da gerade erlebt hatte. Er fing meine Ängste gut auf und ich wagte mich noch mal mit ihm dort hin.

Da wo die Angst ist, da lohnt es sich hin zu gehen!

Wenn wir den Atem teilen ist das eine sehr starke Verbindung. Ich atme dich. Du atmest mich.
Es hat was meditatives. Tatsächlich machen wir das, um miteinander zur Ruhe zu kommen. Damit wir einander besser spüren. Ich finde mit dir, durch unseren gemeinsamen Atem, wieder mehr zu mir. Spüre mich besser. Im Moment sein, in mir sein.
Und durch den gemeinsamen Atem können wir einen gemeinsamen Rhythmus finden.
Natürlich ist es wundervoll berauschend wie die Raubkatzen übereinander her zu fallen. Aber es tut auch wahnsinnig gut immer wieder auch Ruhephasen dazwischen zu haben.
Es ist wahnsinnig intim sich einem anderen so hinzugeben. Grade weil es nicht das Bild der sexy, aufregenden, wilden Liebhaberin ist.

Wenn wir miteinander schlafen und ich seinen Penis in mir fest umschließe und wir gleichzeitig die Münder aufeinander haben, ineinander atmend, sind wir oben und unten ineinander greifend verbunden zu einem perfekten energetischen Kreis. Das fühlt sich unglaublich gut an. Wir atmen ein, wir atmen aus…

Text: Jenz

Bilder: Schnick Schnack Schnuck/ Jenz

Theresa

Theresa Lachner ist Journalistin, Systemische Sexualberaterin und die Gründerin von LVSTPRINZIP.

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