Tantrakurs, Sexparty, Bondage-Workshop? Bring it on! Ich bin nicht nur pro-sexuell, meine Journalistenehre verlangt es auch, jeden Quatsch mal auszuprobieren, bevor ich darüber schreibe. Nur um Kuschelpartys mache ich bis jezt einen weiten Bogen. Vollkommen absichtsloses Anfassen komplett wildfremder Menschen? Davor habe ich aus auch mir selbst halbwegs unerfindlichen Gründen einen Heidenrespekt. Also habe ich einfach mal Unique vorgeschickt.
Innen Ankommen
Ich trete in den noch ziemlich leeren Raum, eine Woche voller Arbeit hinter mir. Ich bin nur ein Kopf, der eine Körperhülle steuert. Der sich erkundigt, Dinge regelt und schnell noch vor Ort duscht, um sich wohl und sauber zu fühlen.
Während ich meine Haare abrubbele, kommen mehr Leute. Nett aussehende Menschen, die schon in der Begrüßung zeigen, dass es hier um Begegnung geht. Die meisten sind zwischen 20 und 30, ein oder zwei Leute älter. Weiter sehe ich alles wie in einem Film, schön auf Abstand. Die vielen Menschen, die inzwischen einen Kreis formen, verbinden sich in meinem Kopf mit Ansprüchen, Regeln, Einschätzungen.
Ich darf nicht wollen, dass…
Es wäre blöd, wenn ich…
Bloß niemanden abweisen, immer korrekt verhalten.
Etwas beginnt sich in mir zu regen. Ein kleines Kind, irgendwo da drinnen. Ein blinder Passagier, der die ganze Zeit versteckt mit unterwegs war. Sich festgeklammert hat, um im Fahrtwind nicht herabzustürzen.
Wir steigen ein mit einer Kennenlern-Übung: Wer bist du, was wünscht du dir für diesen Workshop heute? Ich werde etwas entspannter im Gespräch mit den zwei Frauen meiner kleinen Gruppe.
Den ersten Körperkontakt haben wir alle in einem Art Slow-Motion-Moshpit, in dem wir uns anstoßen und umkreisen. Easy.
Als nächstes werden wir zu Wichteln, die eingeschneiten Blumen sanft den Schnee vom Körper streichen. Schon spannend, diese Menschen einfach so berühren zu dürfen. Ohne Kontext, nur ein Spiel als Alibi. Sie stehen mit geschlossenen Augen da. Das Geben macht Spaß und mich neugierig.
Dann ist meine Gruppe dran, wir werden zu Blumen. Plötzlich gibt es keine Fluchtmöglichkeit mehr. Ich versuche stabil zu stehen. Da streicheln mich jetzt Menschen. Mich, in der dieses Kind steckt. Ich bin das. Ich stehe hier.
Eine Träne entsteht und nimmt den Weg nach unten. Gleitet von meinem Auge herab sanft über meine Wange, bleibt hängen an meinem Mund, den ich mag. Es fühlt sich an wie ein unsichtbares Streicheln. Ein paar weitere folgen. Sie lassen mich meine Außenseite spüren, die mir jetzt als solche bewusst wird. Ich bin keine leere Hülle.
Immer neue Menschen kommen, um meinen Körper zart entlang zu streichen. Als die Übung vorbei ist, verschwinde ich in den Nebenraum. Meine Schleusen sind offen – ich weiß nicht, wie reagieren.
Die anderen lernen sich gerade beim gegenseitigen Massieren besser kennen. Jede Person sagt, wo und wie sie von wie vielen Leuten berührt werden möchte.
Ich sitze da im Analyse-Modus. Auf die Idee, mich mir selbst wirklich zuzuwenden, komme ich nicht.
Jemand kommt rein und sieht mich. Sieht mich an und fragt. Ich fasse Worte, fasse mich, fasse ein bisschen Mut. Dieses Gespräch ist die erste echte Verbindung heute. Mein Gegenüber sitzt mit einem Lächeln auf dem Stuhl, das allgemein in die Welt strahlt. Man sieht, dass das, was nach außen strahlt, innen schon einen weiten Weg zurückgelegt hat.
Irgendwann sitze ich plötzlich im Hauptraum. Am Rand, immer noch zögernd. Meine Beine machen Schritte. Ich suche den Genuss, die Freude, das Neue. Da liegt ein Mensch, auf seiner einen Seite ist noch Platz. Ich schaffe es, irgendwie zu fragen. Ich lege mich dazu.
Was folgt: Kuscheln. Menschen auf einer anderen Ebene kennen lernen. Körper ausprobieren.
Ich entdecke einen neuen Lieblingsheizungsmenschen. An ihm zu liegen hilft mir am Anfang, Energie aufzutanken. Wie ein Äffchen hänge ich mich um ihn, in der Waagerechten. Ich bin nur Anhängsel zu einer weiteren, der Hauptumarmung. Das ist ein guter Einstieg.
Später werde ich aktiver. Schaue mich um nach Menschen, die mir gefallen. Manche von ihnen, obwohl gutaussehend, fühlen sich nicht richtig an, nicht warm und weich. Mit anderen, die ich nicht im Blick hatte, liegt es sich wunderschön auf dem weichen Teppich.
Hilfreich ist, dass wir vorhin noch eine Übung gemacht haben, bei der wir alle einmal „Nein“ zu einem Kuschelangebot sagen und einmal selbst die Fragenden sind, denen das „Nein“ gilt. Alle wissen jetzt schon, wie sich eine Absage anfühlt, und wie sie sich einfühlsam aussprechen lässt.
Viele liegen in ganzen Gruppen kreuz und quer übereinander. Von außen ist nicht zu erkennen, wem hier welches Bein und welcher entspannt angelehnte Kopf gehört. Neben mir bittet eine Frau ihren Kuschelpartner freundlich und direkt, seinen Arm aus ihrem Brustbereich zu nehmen. Er tut es und sie kuscheln in Ruhe weiter. Für mich ist das hier ganz weit weg von Sex. Viel näher dran an meinem Inneren. Sehr intensiv, aber nicht zielgerichtet, sondern entspannt.
̕Nach den zwei eigentlichen Kuschelstunden kommen wir wieder zusammen, machen noch eine Achtsamkeitsübung. Dann nimmt sich jeder einen Zettel, um die eigenen Erfahrungen aufzuschreiben.
Als wir gehen, sehe ich keine Fremden mehr im Raum. Sondern Mitmenschen. Ich kenne ihre Leben nicht, aber wir haben etwas geteilt. Dagegen kommen mir die Leute im Bus zurück in die Stadt vor wie Aliens. Auf ihre Handys fixiert, an ihren Outfits zupfend, irgendwo in ihren Gedanken.
Die nächste Reise nach innen kommt für mich bestimmt.
Infos zur Cuddle Puddle in Heidelberg (mit Links zu Kuschelpartys anderswo) gibt´s hier.
Text: Unique
Titelfoto: (c) Aaron Tsuru tsurufoto.com