Lernen dürfen – mit Ulrich Clement und life lessons

Ich hatte mich immer für ganz schön weltoffen gehalten. Immerhin war ich fast fünf Jahre auf Weltreise und habe in 36 Ländern eine ziemliche Bandbreite an Menschen und Geschichten kennengelernt.

Bis ich irgendwann verstanden habe, von wie vielen Dingen ich einfach noch gar keine Ahnung habe. Weil ich sie nicht haben kann.

Wie es sich anfühlt, eine sexuelle Präferenz oder Orientierung zu haben, die gegen das Gesetz verstößt. Wie sich struktureller Rassismus anfühlt. Eine Behinderung zu haben, einen unerfüllten Kinderwunsch oder eine chronische Krankheit.

Ein Privileg bedeutet, dass man etwas nicht mitbekommt, weil man nicht betroffen ist. Empathie bedeutet, dass man versucht, es zu verstehen und das eigene Verhalten entsprechend anzupassen.

Mein Schritt in Richtung Verstehen heißt: Bildung. In diesem Fall: eine Ausbildung zur systemischen Sexualberaterin. Die letzten zweieinhalb Jahre habe ich mir mit fünfzehn anderen tollen Menschen lange Wochenenden in einem stickigen Gruppenraum um die Ohren geschlagen, zugehört, und versucht zu lernen.

Eigentlich hätte ich vor ein paar Monaten mit dem Praxisteil meiner Ausbildung anfangen sollen, um dann tatsächlich unter Supervision Menschen zu beraten, die ein Problem mit sich und/oder dem Sex haben. Und dann hat Corona die Pausetaste gedrückt und sehr vieles verschoben.

Und weil mir bei dieser Gelegenheit wieder in aller Ausführlichkeit aufgefallen ist, wie sehr ich Videotelefonie hasse, habe ich stattdessen getan, was mir schon oft am Sinnvollsten vorgekommen ist: gelernt. Mich mit einem Berg gehamsterter Bücher verkrochen und einfach sehr viel gelesen.

Bis mir meine Lehrtherapeutin einen extrem guten Tip gegeben hat, was ich sonst noch so lernen könnte: den Onlinekurs von Prof.Dr. Ulrich Clement, dem „Rockstar der Sexualtherapie“ (ZEIT Podcast Ist das Normal?)

Im Nachhinein muss ich echt sagen: wenig sonst hat mich in dieser skurrilen Lockdown-Zeit so bei Trost gehalten wie Ulis knochentrocken-humorvolle Art, drei Stunden lang jeden Tag. “Das Prinzip Frechheit”, wie er es nennt – gepaart mit einer gelassen-abwartenden Haltung seinen Klient*innen gegenüber. Bei ungefähr jedem dritten seiner Sätze will ich auf Pause drücken und ihn mir aufschreiben, ein paar der Module schaue ich direkt mehrmals an. Die Beispiele aus der therapeutischen Praxis kommentiert er ebenso selbstkritisch wie liebevoll.

Wenn man mich fragt, was das Wichtigste ist, was ich mir sowohl aus meiner Ausbildung als auch aus diesem Onlinekurs mitnehme, dann sind das zwei Dinge: Theorien – dazu, warum wir Menschen die Dinge tun, die wir tun, auch wenn wir es manchmal eigentlich längst besser wissen sollten – und Haltung. Neutralität. Neugierde. Weniger zu fragen: „Warum tut jemand etwas?“ als „Was ist die Konsequenz dieser Verhaltensweise?“

Und, dass es so etwas wie intelligentes Nichtstun gibt. „Es geht nämlich sowieso immer weiter“, wie Ulrich Clement sagt.

Danach habe ich mich dem Sexocorporel Kurs von Dr. Karoline Bischof gewidmet. Im Gegensatz zum sehr geisteswissenschaftlichen systemischen Ansatz geht es bei Sexocorporel um den Körper. Die meisten sexuellen Probleme seien Grenzen im sexuellen Lernen, und guter Sex somit lernbar.

“Der Erregungsreflex ist angeboren, alles andere müssen wir kultivieren” sagt Dr. Bischof. Sie möchte die individuelle Sexualität so stärken, dass sie den Stürmen des Lebens standhalten kann: “Für eine vielfältigere und robuste Erotik.” Die bekommt man durch Körperübungen, da sich die neurophysiologischen Zusammenhänge zwischen Emotionen und körperlichen Symptomen wechselseitig beeinflussen lassen.

Ich für meinen Teil habe mir aus dem Kurs einige praktische Körperübungen mitnehmen können und bin froh, einen umfassenderen Einblick in die Technik bekommen zu haben, um mir meine eigene Meinung zum Ansatz des Sexocorporel zu bilden.

Beide Kurse empfehle ich uneingeschränkt allen Menschen, die sich genauer mit sich und ihrer Sexualität auseinandersetzen möchten und wissen wollen, was bei einer Sexual- oder Paartherapie eigentlich so passiert. Allen, die sich beruflich weiterbilden wollen und mit Hilfe dieser Kurse herausfinden können, in welche Richtung es gehen soll und welche Kenntnisse sie gerne vertiefen würden. Und allen, die so wie ich finden, dass Lernen fetzt – weil man einfach nie genug wissen kann.

Mit dem Code LVST15 erhaltet ihr 15% Rabatt auf sämtliche Kurse von life lessons. Herzlichen Dank an life lessons für die Unterstützung zu diesem Beitrag. 

 

Titelfoto: (c) Herr Holzner

Theresa

Theresa Lachner ist Journalistin, Systemische Sexualberaterin und die Gründerin von LVSTPRINZIP.

Ein Kommentar

  • Antworten Juni 25, 2020

    ExWuschel

    Sexocorporel ist auch Bestandteil des dreijährigen und sehr intensiven Masters Sexologie an der Hochschule Merseburg – das als Hinweis für die Mitlesenden :-)

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