Warum über Sex schreiben?

“Wie ist denn dann die Theresa eigentlich so privat? Also…ist die in echt auch so offen wie die in ihren Texten immer tut?”

Fragen, die meine Freundinnen sich seit Jahren anhören müssen. Gutes altes Kolumnistinnenproblem – der Textinhalt wird mit der Person gleichgesetzt.

Gegenfrage: kennt Harald Martenstein all die “Genderfrauen” über die er sich so gern künstlich und komplett am Thema vorbei-echauffiert, eigentlich persönlich? Moment, ich rate jetzt einfach mal: mmmmmmmaybe not.

Und jetzt darfst du drei mal raten, wie wild es bei der Theresa privat so die ganze Zeit im Karton rappelt. Ist doch eigentlich ganz logisch: wenn Sex immer nur easy und super wäre, gäbe es für mich darüber genau zwei Wörter zu schreiben. Easy nämlich, und super.

Das interessiert mich aber ehrlich gesagt mal genau null.

Was mich wirklich kriegt, ist die Awkwardness, die Intimität und die Interaktion. Zähne, die beim knutschen zusammenkrachen, Körperteile die nicht auf Anhieb ineinander passen und Menschen die währenddessen plötzlich lachen oder weinen müssen.
Mich reizen Grenzen, und was passiert, wenn sie überschritten werden. Es gibt kaum einen intimeren Moment als das hab ich so noch nie ausprobiert, aber mit dir will ich es unbedingt. Hingabe ist eines der größten Geschenke überhaupt.

Ich schreibe über Sex, weil es mir ehrlich gesagt verrückt vorkäme, es nicht zu tun.

Ein dankbares Thema, meinte mal eine potentielle Vorgestetzte, und das stimmt.

Außer vielleicht, pff, Fußball, gibt es schließlich kaum ein anderes Sujet, das uns alle so sehr verbindet und gleichzeitig so zum Disktuieren bringt. Ich schreibe seit sechs Jahren über Sex und selbst in meiner wüstesten Das ist mir hier alles zu schrebergartenmäßig und kleinbürgerlich, scheiß auf Sex, ich will DIE WELT SEHEN! – Phase kam das Thema immer wieder zu mir zurück. In Form von Anfragen, von großen Magazinen. Weil das anscheinend irgendwie sonst keiner so richtig gern und gut machen will.

Sex ist zu meiner Nische geworden, und ich finde es selbst oft ein bisschen absurd, dass es so ist.

Schließlich ist es diese….Nische deiner Mama, aus der du selber mal gekrochen gekommen bist, ein paar Monate, nachdem sie und dein Papa sich mal ziemlich lieb gehabt haben. Das ist keine Nische Baby, das ist ein fucking Wunder und das Größte, was je in deinem Leben passiert ist.

Und nein, Sex ist nicht immer nur easy und super. Weder für mich, noch für dich. Das liegt in der Natur der Sache. Es gibt keine schnellen Lösungen.

Und das ist bei genauerer Betrachtung der Sachlage auch eigentlich ziemlich gut so. Denn genau da fängt es schließlich erst an, interessant zu werden. Wenn wir uns und unsere Sexualität wirklich ernst nehmen, scheißen wir auf Blowjob-Anleitungen. Wir machen uns auf die Suche nach etwas Neuem, anstatt nur das Althergebrachte schlecht zu reden.  Zwischen Ambivalenz, Intimität und Intellekt beginnt das eigentliche Diskussionspotential. Also lass uns drüber reden, Baby. Über bessere Pornos, bessere Sextoys, Muschimindfulness und anderes Zeug, das anderswo aus irgendwelchen Dingsgründen als Tabu bezeichnet wird.

Und um auf die Frage zurückzukommen: Privat so kann ich dann auch mal relativ problemlos den ganzen Tag über Gangbangparties texten und abends allein vor dem Fernseher bei Tiersendungen in meine Mikrowellenlasagne weinen. Und dann mach ichs wieder genau andersrum, because: why not? Sex is not the answer. Sex is the question. “Yes” is the answer. (Swami X)

 

Welches Thema hält dich nachts wach? Worüber würdest du gerne lesen? Wo triffst du auf Tabus, die eigentlich keine sein sollten? Und wie gern hast du deine persönlichen Grenzen?

Erzähls mir in den Kommentaren!

 

Photo by Aaron Tsuru (c) Tsurufoto.com

Theresa

Theresa Lachner ist Journalistin, Systemische Sexualberaterin und die Gründerin von LVSTPRINZIP.

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