Was ist Heimat für dich?

„So, where´s home?“ eine meiner liebsten Fangfragen beim Traveller-Smalltalk. Je nach Gesprächsdauer x seit dem ersten „where you from?“, fortgeschrittenem Alkoholkonsum oder ohnehin noch nebeneinander abzusitzender Restreisezeit beantworte ich sie entweder mit „well I am here now, right?“ oder ich fange eben an, auszuholen.

Diesen Text schreibe ich im Bett einer Freundin, der ich relativ schamlos die komplette nächste Woche den Kaffee wegtrinken werde. Ich hab hier schon so viel Zeit verbracht, dass ich auch nachts betrunken im Halbschlaf das Klo wiederfinde ohne Licht anzumachen. Everything in its right place. Die Sonne scheint zum Fenster rein und draußen ist Friedrichshain.

Ich lebe seit mittlerweile drei Jahren aus dem Rucksack. Das letzte Mal „nur schnell Teelichter kaufen“ bei Ikea ist bestimmt vier Jahre her und der Gedanke an einen Kleiderschrank aus Massivholz löst bei mir akute Beklemmungsgefühle aus. Ich hab mal versucht, die Hotelbetten, Gästezimmer und Sofas von Freunden zu zählen, in die ich mich im Zuge meiner selbstgewählten Obdachlosigkeit so gekuschelt habe und bin so auf knapp 90 gekommen.

Daheim ist, gleich im Schlafanzug unten Brötchen zu holen und dann stundenlang zu frühstücken.

Daheim ist, wenn meine Eltern sich über meine blödesten Witze kaputtlachen.

Daheim ist, wenn mir die runzelige Restaurantmanagerin in meinem Lieblingshotel in Bangkok zur Begrüßung ihre halb angegessene Mandarine in den Mund steckt und mich wortlos und lange umarmt.

Daheim ist, neben jemand neues aufzuwachen, kurz überlegen zu müssen, wo man eigentlich ist um sich dann im verschlafenen Blick des anderen wiederzufinden und reflexartig rumzuknutschen trotz pelziger Maulwurffamilie im Mund. Jemands Sonntagmorgen sein, nicht nur die Samstagnacht.

Gott oder Sartre oder irgendein anderer Oberschlaumeier hat mal gesagt, dass Heimat nicht der Ort ist, an dem du geboren bist, sondern der, wo du begraben werden willst. In streberhafter Nomadenmanier will ich natürlich, dass meine Asche an den willkürlichsten Orten verstreut wird. Ich will das Meer sein und der Wind und im Eisbecher deiner Enkelkinder landen.

In Harry Potter spaltet der dunkle Lord seine Seele in mehrere Teile auf und verteilt sie an den verschiedenen Orten um so unsterblich zu werden. Ich schätze, das ist zumindest nicht die allerblödeste Taktik.

So, where´s home? Der Ort, von dem ich komme? Der, den ich mir selbst aussuche? Oder der, an den ich immer wieder zurückkehren will? Ein Ort, der mich prägt und herausfordert und wachsen lässt oder da, wo ich einfach nur stillvergnügt vor mich hin stoffwechseln kann? Da wo meine besten Freunde sind oder da, wo ich neue Leute kennenlerne, die so ticken wie ich? Ich weiß es wirklich nicht, und vielleicht ist es zum Glück auch eigentlich ein bisschen egal.

Das einzige was ich weiß ist, wie dankbar ich bin, für Gästebetten und Frühstücke und Umarmungen und Augenblicke. „Daheim“ ist da, wo du bekommst, was du brauchst.

Und vielleicht wird’s ja irgendwann doch noch was mit mir und dem Massivholzkleiderschrank.

Dieser Text ist zunächst leicht gekürzt auf Stilnomaden erschienen.

 
Wo ist dein Herz zuhause? Erzähls mir in den Kommentaren!

Theresa

Theresa Lachner ist Journalistin, Systemische Sexualberaterin und die Gründerin von LVSTPRINZIP.

5 Kommentare

  • Antworten April 10, 2015

    Jenz

    ” Home is where your heart is.
    It is in your chest.
    So, you can take it with you.. and you’re allways blessed.” – Jenz

    • Theresa Lachner
      Antworten April 10, 2015

      Theresa Lachner

      Das stimmt, liebe Jenz…Herz und Internet, und ich hab alles dabei, was ich brauche :)

  • Antworten März 18, 2016

    Tassilo

    Ich kann nicht mehr zustimmen, bin in der gleichen Situation, und es macht mich glücklich zu wissen, dass ich mit diesen Gedanken nicht alleine bin. Neben dem Massivholzkleiderschrank gibt es aber schon viel kleinere Dinge über die man nach den ersten paar Wochen der selbstgewählten Obdachlosigkeit anfängt nachzudenken…. und sich zu fragen wieso Menschen sie ansammeln, und sich damit an einem Ort quasi festnageln. Heimat ist mittlerweile dort, wo andere versuchen mich nach Heimat einzuordnen.

  • Antworten November 14, 2016

    Arni

    Meine emotionale Heimat ist meine Familie. Berlin-Friedrichshain ist meine soziale Heimat. Der mitteleuropäische Wald ist meine seelische Heimat.

  • Antworten November 14, 2016

    Arni

    Meine intellektuelle Heimat ist die freiheitliche Demokratie und der Liberalismus.

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